Die Rede über die Werte der Techno-Bewegung von Kay-Uwe Lenk *DASFAX. Abschlusskundgebung der Demonstration Splitter&Nackt, der Reclaim Club Culture (RCC) gegen den Naziaufmarsch durch Berlin Mitte am 3.Oktober 2019.
Hallo, ich heiße Kay-Uwe Lenk und möchte hier in einer Herzensangelegenheit als DJ der Tanzversammlung Rosenthaler / tanzen gegen rechts ein paar Worte an Euch und auch an die Abwesenden, die in dieser Rede angesprochen werden, richten:
Vor knapp 30 Jahren, als sich die elektronische Musik – im speziellen House & Technomusik – als ein Statement der damaligen Jugend wie ein Virus verbreitete, galt es für die WERTE der neu entstehenden Techno-Bewegung einzustehen:
FÜR Toleranz, Vielseitigkeit und Freiheit,
GEGEN Rassismus, Homophobie und Hass!
Genau DIE Werte, für die wir hier versammelt sind! Es lässt sich nicht leugnen, dass mit der Kommerzialisierung des Techno seit Mitte der 90er bis heute genau diese Werte etwas aus dem kollektiven Gedächtnis geraten sind. Oberflächliche Themen wie Dresscodes und Türsteher, die zur Kunstfigur erhoben werden, und abgehobene DJ-Gagen stehen im Mittelpunkt. Der französische Techno-DJ Laurent Garnier hatte unlängst die Debatte um die Zukunft des Techno wieder ins Gespräch gebracht. Im Zuge seiner Bücher und einer Ausstellung, die seine Sicht auf die Historie von House und Techno-Music schildern, stach eine Aussage besonders hervor:
„Was hat Techno heute noch für Werte, welche gesellschaftspolitische Bewandtnis trägt die Bewegung nach außen?“
https://www.dj-lab.de/bruchstelle-ist-techno-nicht-mehr-die-musik-der-zukunft/?
Wo sich für mich auch gleich die Frage stellt: „Sind Techno und seine Kultur noch eine Bewegung?“ Nach dem Fall der Mauer begann für Ost und West eine Zeit der Neuorientierung, welche zu Beginn ein paar Jahre beinhaltete, in denen ALLES möglich schien – ein treibender Impuls, der raus musste. Im Bereich der Musikkultur fanden Pilgerungen statt, der Ostdeutsche reiste für Technopartys nach Frankfurt am Main, nach Hannover und Kassel.
Der Westdeutsche entdeckte im Osten von Berlin und Deutschlands für sich bzw. die Techno-Szene die für Partybetreiber paradiesischen Zustände von leerstehenden Häusern und fehlenden
Gesetzesbestimmungen. Es galt grenzenlos die Freiheit zu feiern, die nach Jahren des Umbruchs über uns Alle hereinbrach. Ein Großteil der Clubber aus den frühen 90ern wusste, wofür die freiheitlichen Werte der Techno-Bewegung standen – ein Teil der Bewegung kam aus der Gayszene, ein anderer Großteil der Szene kam aus dem Bereich Independent…Freaks, Künstler und sogar Hooligans feierten mit Hausbesetzern Seite an Seite im friedlichen Miteinander und traten für Respekt + Gleichheit ein.
Jetzt, dreißig Jahre später gibt es ganz andere Auslöser, um mit elektronischer Tanzmusik Menschen dazu zu bewegen, laut zu werden, Druck zu machen. Das kann, wie Anfang September auf dem Potsdamer Platz mit Beats & Bässen geschehen, um mit einer neuen Generation auf die Klimakatastrophen aufmerksam zu machen.
Oder wie schon im letzten Jahr, als wir den Naziaufmärschen lautstark etwas entgegensetzten. Denn spätestens seit es eine rechtsorientierte Partei in den Bundestag geschafft hat, sollte auch die Feier-Community darauf sensibilisiert sein, dass Ausgrenzung und Rassismus in den Clubs nichts zu suchen hat! Deshalb ist es enorm wichtig, dass die Clubs und DJ´s als Vorbild für Ihre Zielgruppe die Werte der Techno-Bewegung nach Außen tragen. Denn elektronische Musik spielt bei jungen Menschen eine nicht zu unterbewertende Rolle. Die Zahlen aus der Studie der Clubcommission besagen, dass im Jahr 2017 ein Gesamt-Umsatz von 168 Mio. Euro in den Berliner Clubs getätigt wurden.
Das ist nur mit einer Vielzahl an Besuchern zu erreichen und spiegelt wider, dass der Berliner Club nicht nur ein extrem umsatzstarker Motor ist, sondern auch ein wichtiger Ort für Begegnungen, Abend für Abend. Vergesst nicht, Berlin spielt auf Weltniveau in den Clubs, und so tobt sich auch die Welt auf unseren Dancefloors aus. Informationen zum Lineup und die Location werden an erster Stelle über die Websites oder Socialmedia-Auftritte der Clubs abgerufen.
Hier greift die Möglichkeit der Betreiber, ohne viel Aufwand auf Grundsatzwerte hinzuweisen. Da kann zum Beispiel stehen: „Rassismus, Sexismus, Homo- und Transphobie haben bei uns
im Club keinen Platz!“
Danke Griessmühle in Neukölln
Liebe DJ´s, Label- und Clubbetreiber, Techno ist das Blut in euren Adern! Eure DNA ist antifaschistisch ausgerichtet. Zeigt das den Tausenden von Followern. Die sind alle hungrig darauf etwas zu verändern bzw. der Bedrohung durch Rechts etwas entgegenzusetzen. Wir müssen die wertvolle Freiheit, auch die Freiheit fürs Feiern, und alle Menschen, die dies ermöglichen, verteidigen! Geht mit guten Beispiel
voran. Denn während wir hier stehen, marschiert genau jetzt rassistischer Hass und menschenverachtende Hetze durch unsere Stadt! Um die treffenden Zeilen aus dem letzten Jahr des Bündnis Reclaim Club Culture zu zitieren:
„Berlins Clubkultur ist alles, was die Nazis nicht sind
und was sie hassen: Wir sind progressiv, quier,
feministisch, antirassistisch, inklusiv und bunt.“
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Clubs sich in der einer Gemeinschaft schneller dazu bewegen lassen, an einem Strang zu ziehen. Deshalb ist eine erste Idee, einen einheitlichen, aussagekräftigen Link-Icon zu entwerfen der zu einer Infoseite führt, welche die Werte der neuzeitigen Techno-Bewegung klar hervorhebt. Ein dynamischer Blog in dem unter anderem ein Austausch und die Ankündigung für bevorstehende Benefiz Clubabende und Demos präsentiert werden könnte.
Und abschließend möchte ich an alle Techno-Produzenten und DJ´s appellieren: Es ist wieder Zeit für Dancefloor-Hymnen! Wir sind politischer denn je und es gibt viel zu tun, um den Rechten den Saft abzudrehen und für unsere freiheitlichen Werte öffentlich einzustehen. Begreift: Seit drei Jahrzehnten haben wir die Möglichkeit selbstbestimmt in Frieden nicht nur in Clubs, sondern auch auf den Straßen zu tanzen und das Leben zu feiern!
So auch jetzt – HEUTE! UND HIER!
Vielen Dank für Eure Aufmerksamkeit, vielen
Dank, dass ihr alle hier seid, es ist wichtig!
Kay-Uwe Lenk*DASFAX | Techno Berlin