In den letzten Monaten sorgte das Thema Clubverdrängung / Clubsterben in der Gesellschaft und den dazugehörigen Kommunikationskanälen für Aufmerksamkeit. Eine Verdrängung durch den Eigentümer kann in Form von Nutzungsumwandlung der Mietfläche oder und durch extreme Mieterhöhung oder durch geplante Neubebauung des Areals, auf dem der Club viele Jahre seinen Standort belebte, passieren. Die kommerzorientierte Immobilienlobby hat auch dem Berliner Kulturbetrieb in den letzten Jahrzehnten massiv zugesetzt und ihn verändert. Nur für wenige Clubs, die sich nach der Verdrängung durch die Hilfe großzügiger Kapitalgeber in geschützte Immobilien oder durch Erwerb des Grundstückes in die Unkündbarkeit begeben haben, ist das Betreiben eines elektronischen Musik-Clubs in seiner Urform möglich.
Mit dem Beginn des Easy-Jet-Zeitalters wurde der Club aus Berlin zu einem umsatzstarken Markenzeichen der Stadt, denn Berlin mit seinem Facettenreichtum wurde der beliebteste Veranstaltungsort für Clubgänger auf der ganzen Welt. So ist auf politischer Ebene ein Club als Wirtschaftsfaktor in entsprechender Senatsverwaltung angesiedelt, nicht im Kulturbereich. Die Musikwirtschaft ist ein bedeutender Wirtschaftszweig, aber wirtschaftlich nicht interessant genug für die Immobilienbranche.
Als Sprachrohr, Vermittler und Berater ist die Berliner Clubcommission ein starker Partner an der Seite der Club-Kultur und kann durch ihr professionelles Auftreten und ihre guten Verknüpfungen zur Berliner Kulturpolitik Außergewöhnliches leisten. Am aktuellen Beispiel „Griessmuehle Neukölln“, wo seit bereits zehn Jahren einige der spannendsten Veranstaltungen wie Cocktail d´amore, Tekknozid oder Slave To The Rave stattfinden, zeigt sich, wie es gehen kann.
Dem Club wurde der Vertrag nicht verlängert, und monatelange Gespräche zur Perspektive des Clubstandorts mit dem Eigentümer liefen ins Leere oder wurden hinausgezögert. Da sich auch so ein erfolgreicher und etablierter Club wie die Griessmuehle keinen neuen geeigneten Standort aus dem Ärmel schütteln kann, drohte die Schließung des Unternehmens. Gerade der Stadtbezirk Neukölln hat im letzten Jahrzehnt einen enormen Zuzug von jungen Menschen erlebt und spiegelt den Zeitgeist einer multikulturellen Gemeinde wider, so dass diese Verdrängung solch eines sozialen Raumes sehr zu beklagen wäre.
Der Club Griessmuehle ersann eine Petition und in allerkürzester Zeit hatten sich bereits über 32000 Menschen dem Aufruf angeschlossen und für den Erhalt des Clubstandorts abgezeichnet, weitergeleitet oder einen Beitrag gespendet, um die Arbeit zu unterstützen. Am Mittwoch, dem 22.01.2020 fand eine medienwirksame friedliche Kundgebung vor dem Bürgermeister-Amt in Neukölln unter Beteiligung von Rednern aus Politik, der Clubcommission und der Griessmuehle statt, dem ein Antrag des Landtages zum Erhalt der Grießmühle vorangegangen war.
„Dabei haben die Abgeordneten sich einstimmig, bei Enthaltung von FDP und AfD, mit den Stimmen von SPD, CDU, Grünen und Linken, für den Erhalt der Griessmuehle ausgesprochen. Es ist das erste Mal, dass sich das Berliner Abgeordnetenhaus für den Erhalt eines Clubs durch Parlamentsbeschluss ausspricht. Nun ist der Senat aufgefordert, mit dem Eigentümer SIAG Property II GmbH Gespräche zu führen, damit die Griessmuehle an ihrem Standort verbleiben kann oder notfalls ein landeseigenes Ersatzgrundstück zu finden. „(Quelle: Groove Magazine)
Kurze Zeit später fand der ersehnte Dialog mit dem Eigentümer, vertreten durch die S IMMO Germany GmbH, statt und es gab positives Feedback zu vermelden. Kurzfristige Übergangslösungen wurden dank der Unterstützungen anderer Einrichtungen der Stadt gefunden. So dass der Betrieb anderenorts weitergehen kann. Vielmehr ist die gesamte Aktion nicht nur geschichtlicher Marker, sondern hat aufgezeigt, dass sich hier – durch Solidarität, durch die Beteiligung der Öffentlichkeit, durch Widerstand gegen eine vorerst unveränderbare Immobilien-Politik seitens der Vermieter – eine von Grund auf positive Tendenz herausbildet, und ich hoffe, dass das Beispiel Griessmuehle in zukünftigen Fällen, Schule macht, wo Gentrifizierung Clubkultur bedrängt und Standorte der Clubkultur zum Spielball von Spekulanten werden. Dabei wäre es ein Leichtes für die Konzerne, sich in Form eines Stiftungsfonds am Erhalt und der Förderung von Kultur und deren Menschen zu beteiligen.
Wie zum Beispiel der Hamburger Golden Pudel Club oder auch der Club Kater Blau, ehemals Bar 25, in Berlin Friedrichshain. Der an der Hamburger Hafenstraße in Sankt Pauli gelegene Pudel Club spiegelt die Seele des Viertels und seiner Bewohner seit vielen Jahrzehnten wider. Darüber hinaus erhält er durch die Nähe zur Alternativkultur Hamburgs eine geschichtlich wichtige Rolle in der elektronischen Tanzkultur Hamburgs. DJs wie Helena Hauff, Nick Höppner, Efdemin oder auch die Gruppe Fraktus um den Initiator King Rocko Schamoni tankten hier die Grundwerte ihres Musik- und Künstlerschaffens auf.
Dass Gentrifizierung die schwachen, die kleinen Betreiber schluckt ist, leider nichts Neues. Aber selbst ein recht großer Club wie die Griessmuehle mit vielen hundert Besuchern von Mitte der Woche bis Sonntag Mittag, hat Probleme eine Immobilie für die nächsten Jahre zu finden. Da Clubsterben nicht nur ein Thema in Berlin ist, versuchen die Linken und Grünen auf Bundesebene Druck auszuüben, damit die Institution Club einen anderen Stellenwert erhält und als kultureller Betrieb anerkannt wird. Somit wären zum Beispiel Unterstützungen im Bereich Lärmschutz möglich, und im Bau- und Mietrecht würden viel bessere Voraussetzungen für den Clubbetrieb geschaffen.
Die Kulturgemeinde und die Politik Berlins haben für die Zukunft der Clubkultur ein wichtiges Zeichen gesetzt. Der Kurs steht für den Erhalt des Techno-Clubs in Berlin und gegen ein Clubsterben. Es wird aus verschiedenen Gründen leider zu selten möglich sein, einen Standort zu retten, aber es lohnt sich immer, ein Zeichen zu setzen und sich für den Erhalt von Freiräumen der elektronischen Musikkultur einzusetzen!
Kay-Uwe Lenk *DASFAX | Techno Berlin